Tunesien und seine Geschichte

Die Geschichte des kleinsten der heutigen Magreb-Länder Tunesiens war in der Antike vor allem durch die auf dem späteren tunesischen Staatsgebiet entstandene phönizische Großmacht Karthago bestimmt, der später als Hegemonialmächte Rom, die Vandalen und Byzanz folgten.

Seit dem frühen Mittelalter war Tunesien zeitweise fest in islamischen Großreichen der Araber beziehungsweise der Osmanen eingebunden. Zeitweise entwickelte das Land in diesen Phasen seiner Geschichte aber auch halbautonome bis quasi-eigenstaatliche politische Strukturen.

Von 1881 bis 1956 gehörte Tunesien zum französischen Kolonialreich. Die Zeit ab 1956 war geprägt durch das autoritäre Regime der Präsidenten Bourguiba und Ben Ali. Der „Arabische Frühling“ von 2011 bildete den Beginn einer zur Hoffnung Anlass gebenden Entwicklung hin zu einer tunesischen Zukunft, die für das tunesische Volk Demokratie, Beachtung der Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit bedeuten könnte.

Von Berbern, Karthagern, Römern und Vandalen beherrscht

Im 9. vorchristlichen Jahrhundert gründeten phönizische Seefahrer an der Nordküste die Handelsniederlassung Karthago und drängten die einheimische berberische Bevölkerung, die keine straffe staatliche Organisation kannte, in rückwärtige Gebiete ab. Karthago wurde in den Folgejahrhunderten zur beherrschenden Macht im Westmittelmeerraum, bis es schließlich im Konflikt („Punische Kriege“) mit Rom unterlag.

146 v. Chr. wurde die Region von Karthago als „Provinz Africa“ Teil des römischen Imperiums. Im Zuge der Völkerwanderung und des Zerfalls römischer Ordnung setzten sich im 5. nachchristlichen Jahrhundert Stämme der ursprünglich aus Ostgermanien stammenden Vandalen in Tunesien fest und gründeten 429 ein Reich, das um 545 von Byzanz erobert worden ist.

Islamisierung und arabische Expansion

Die weitgehend auf die Küstengebiete beschränkte byzantinische Herrschaft ging im Sturm der islamisch-arabischen Expansion bis 670 unter. Parallel zur umfassenden Islamisierung der zum großen Teil christianisierten Mischbevölkerung aus Berbern, Germanen und Levantinern entwickelten sich lokale Dynastien, die oft mit großer Eigenständigkeit im Rahmen des vom Kalifen regierten Gesamtreiches agierten.

An der Peripherie des Osmanischen Reiches

Seit 1517 osmanisch, änderte sich an dieser Grundsituation im Prinzip nur wenig. Mit der Zeit wurde der ursprünglich von der Hohen Pforte in Istanbul eingesetzte stellvertretende Provinz-Verwaltungschef, der Bey, zum faktischen Herrscher. Ab 1705 war das Amt des Beys erblich.

Protektorat unter der Trikolore

Geostrategische Imperialismuskonzepte führten 1881 zum Einmarsch französischer Truppen. Unter Beibehaltung einer lediglich formellen Herrschaft des Beys wurde Tunesien in Folge als Protektorat, in dem ein Generalresident die faktische Macht in Händen hatte, in das afrikanische Kolonialreich Frankreichs eingegliedert.

Die Kolonialregierung hatte seitdem ständig mit Aufständen und Unruhen zu kämpfen. Blieb Tunesien im Ersten Weltkrieg noch relativ verschont von den unmittelbaren Kriegsauswirkungen, so wurde das Land zwei Jahre nach der Niederlage Frankreichs (1940) Kriegsschauplatz. 1942 wurde Tunesien von italienischen und deutschen Truppen besetzt. In Folge wurden Tausende einheimische Juden ermordet.

Am 13. Mai 1943 endete mit dem Sieg der Alliierten im Tunesienfeldzug die Herrschaft der Achsenmächte. Die französische Regierung sicherte den Tunesiern den phasenweisen Übergang in die Unabhängigkeit zu. Aber erst nach Jahren blutiger Auseinandersetzungen erhielt Tunesien 1954 tatsächlich die Autonomie und 1956 schließlich die Souveränität.

Die Autokraten Bourguiba und Ben Ali

Die Monarchie wurde 1957 abgeschafft und der starke Mann der Nationalbewegung, Habib Bourguiba (1903-2000), wurde 1959 zum Präsidenten gewählt. Nach einer bis etwa 1969 andauernden Phase mit gemäßigt sozialistischer Ausrichtung. wurde das Regime zunehmend von Unterdrückung, Korruption und Nepotismus geprägt.

Der senile Präsident wurde in einer nach der tunesischen Nationalblume Jasmin benannten Revolte 1987 von Premierminister Zine el-Abidine Ben Ali (geb.1936) gestürzt. Der vom Westen wegen seiner anti-islamistischen Politik gestützte Ben Ali errichtete ebenfalls eine autoritäre und kleptokratische Herrschaft.

Die Jasmin-Revolution 2010/11

Der Fall eines sich mutmaßlich aus Protest gegen das Regime selbst verbrennenden Kleinhändlers in der nordtunesischen Stadt Sidi Bouzid wirkte am 17. Dezember 2010 als Initialzündung für rasch das ganze Land erfassende Massenproteste. Nach zum Teil gewalttätigen Unruhen, bei denen es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kam, floh Ben Ali am 14./15. Januar 2012 nach Saudi-Arabien.

Der Verfassungsrat bestimmte den Regierungspolitiker Mohamed Ghannouchi (geb. 1941) zum Übergangspremier. Ghannouchi, der wegen seiner eng mit Ben Ali verbundenen politischen Laufbahn in der Bevölkerung kein breites Vertrauen fand, trat Ende Februar zurück. Sein ebenso umstrittener Nachfolger Beji Caid el Sebs (geb. 1926) wurde am 24. Dezember 2011 von dem ersten nach freien Wahlen ernannten Regierungschef Hamadi Jebali (geb. 1949) abgelöst.

Jebali, der jahrelang als politischer Gefangener in Haft gewesen ist, gilt vielen Beobachtern ebenso wie der im Dezember 2011 für ein Jahr zum Präsidenten gewählte Menschenrechtler Moncef Marzouk (geb. 1945) als Garant für eine rechtsstaatliche und freiheitliche Entwicklung in Tunesien.

Die von westlichen Pressemedien häufig als (zweite) „Jasmin-Revolution“ bezeichnete Volkserhebung löste als „Arabischer Frühling“ im fast gesamten arabischen Raum ähnliche Bewegungen aus, die unter anderem in Libyen und Ägypten die dortigen Machthaber stürzten.


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